Impuls
zum 1. Advent
von:
Eva-Maria Baumgarten
Vertrauen
Da liegt sie nun vor uns: Die kurzmöglichste Adventszeit. Während die einen bei dem Gedanken, dass der 4. Advent zugleich der Heiligabend ist in Panik verfallen, sind andere froh, dass sich all der „Hype“ um Weihnachten schnell erledigt haben wird. Ich weiß nicht, ob sich bei Ihnen schon adventliche Gefühle eingestellt haben? So richtig in Stimmung bin ich auf jeden Fall noch nicht, auch wenn die weiße Pracht, die sich in den vergangenen Tagen über weite Teile des Landes gelegt hat, eigentlich stimmungsfördernd sein könnte… Aber wie soll ich in adventliche Stimmung verfallen, wenn zugleich die Wunden und Risse unserer Welt immer gravierender zum Vorschein kommen: Die andauernden Kämpfe in der Ukraine, der Krieg im Heiligen Land mit seinem unfassbaren Ausmaß, die Rufe nach geschlossenen Grenzen, ein 60-Milliarden-Euro Loch, die rasante Klimaveränderung, die das 1,5°C-Ziel überholt hat. Gibt es denn zum Adventsbeginn keine besseren Nachrichten? Kann nicht wenigstens in dieser Zeit einmal die Welt stillstehen? Anscheinend nicht – ganz egal wie sehr ich mich danach sehne.
Auf viele der genannten Dinge habe ich keinen direkten Einfluss. Hätte ich ihn, würden zuerst die Waffen schweigen! Aber mit einem ehrlich-nüchternen Blick auf “meine kleine Welt” sehe ich auch da die vielen Wunden und Risse, die statt zu heilen zurzeit scheinbar neu aufgerissen werden: Eltern trauen plötzlich der pädagogischen Kompetenz des Kita-Personals nicht mehr. Getroffene Vereinbarungen werden revidiert, weil man hinter dem Vorhaben des anderen eine böse Absicht vermutet. Engagierte Menschen geben ihr Ehrenamt auf, weil sie in ihrer Gemeinde oder ihrem Verein keinen Rückhalt mehr erfahren. Kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ganz egal ob in der Leitungsebene eines Bistums, in den Generalvikariaten oder in den Gemeinden vor Ort, wird nur noch mit Argwohn begegnet, wenn sie versuchen, in der gegenwärtigen kirchlichen Gemengelage Wege in die Zukunft zu gestalten.
An mir nagt all das.
Woher kommt dieses Misstrauen?
Und vor allem: Wie können wir wieder Vertrauen lernen?
Und dann trifft mich die biblische Botschaft, welche die Liturgie zum 1. Advent anbietet: „In jenen Tagen, nach jener Drangsal, wird die Sonne verfinstert werden und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in den Wolken kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ (Mk 13, 24-26)
„In jenen Tagen…“ was wäre, wenn jetzt jene Tage wären?
Also doch: ganz in adventlicher Stimmung. Vielleicht würden wir als Kirche und Gesellschaft gut daran tun, gerade jetzt – in aller Bedrängnis – auszuharren, es auszuhalten, nicht auf alles eine Antwort zu wissen, und mehr denn je diese adventliche Haltung einzuüben: Nicht wissen, wann die Zeit da ist, dass der Hausherr zurückkehrt (vgl. Mk 13, 33ff), aber unerschütterlich darauf vertrauen, dass der Herr das Erdenhaus nicht im Stich lässt!
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich will die Augen vor den Umständen des Heute nicht verschließen, aber ich will mich weigern, allem und allen gegenüber misstrauisch zu sein.
Und wie wäre es, wenn wir durch eine neue Haltung des Vertrauens in Gott und ineinander zu weihnachtlichen Verkündigungsengeln werden, durch deren Mund ein begründetes „Fürchtet euch nicht!“ erklingt… Träumen darf man ja mal.
Adventskranz am 1. Advent
Foto: Myriam-Fotos, pixabay
Eva-Maria Baumgarten
Die Autorin ist Gemeindereferentin im Pastoralverbund St. Michael Hohe Rhön | Bistum Fulda
Quelle: www.basis-online.net
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin.