Wort in die Woche

Impuls zu Psalm 90,12

Andreas Barzen
Gemeindereferent

„Zeit zu leben“

Die kommenden Feiertage Allerheiligen und Allerseelen konfrontieren uns neu mit unserer Vergänglichkeit. In Psalm 90, Vers 12 heißt es: „Unsere Tage zu zählen lehre uns, dann gewinnen wir ein weises Herz“. Dieser Vers bekommt in diesen Tagen eine besondere Bedeutung.

In der Regel zählen wir unsere Tage nicht. Wir wundern uns höchstens, wie schnell sie vergehen. Wir (ver)planen sie eher und leben die Tage, als ob uns eine unbegrenzte Menge von ihnen zur Verfügung stehen würde. Da braucht es schon durchgreifender Ereignisse, um plötzlich vor der Tatsache zu stehen: Deine Tage sind gezählt, deine Lebenszeit kann nicht beliebig verlängert werden.

Der Dichter Jean Paul hat für diese Erfahrung ein einprägsames Bild gefunden: „Auf jeden Menschen wird in der Stunde der Geburt ein Pfeil abgeschossen, und dieser Pfeil trifft ihn in der Stunde des Todes. Und manchmal, mitten im Leben, hören wir das Schwirren dieses Pfeiles.“

Wir kennen das alle:

  • Beim Kaffee am Morgen, der Blick in die Todesanzeigen. Da fährt es mir in die Knochen. “Mensch, der war doch noch ein paar Jahre jünger als ich.”
  • Der Schmerz des Abschieds von einem geliebten Menschen.
  • Die Diagnose einer schlimmen Krankheit, die mich selbst, oder einen Freund oder Bekannten getroffen hat.
  • Oder plötzlich sticht mir das Herz, der Schmerz durchzuckt mich und zeigt mir, wie das Leben mit einem Schlag aus sein könnte.

Genau das sind die Momente, in denen wir das Schwirren unseres eigenen Lebenspfeiles hören können. Und wer dann das Schwirren des Pfeiles bewusst wahrnimmt, der kann lernen, seine Tage zu zählen: Der kann lernen, jeden Tag als Geschenk
zu begreifen und versuchen, die Tage bewusst zu gestalten und Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden. Der wird lernen, dass die einzige Währung, die Dauer hat, nicht das Geld auf dem Konto ist, sondern die Liebe, die er investiert, die Eindrücke, die er im Herzen von Menschen hinterlässt, die Aufmerksamkeit, mit der er am Leben anderer teilnimmt.

„Es wird Zeit zu leben, weil nichts bleibt – kein Ring, kein Gold, kein Leid.“ So besingt es Reinhard May in einem Lied „Zeit zu leben“ von Klaus Hoffmann. (www.youtube.com/watch?v=5-DIWjUWegk)

Ja, das wünsche ich Ihnen für die kommenden Tage: Dass sie ihr Leben leben und mit Dankbarkeit zurückschauen können; dass all Ihre Verstorbenen in Ihren Erinnerungen lebendig bleiben und dass Sie darin Trost finden können.

„Unsere Tage zu zählen lehre uns, dann gewinnen wir ein weises Herz“.

Andreas Barzen

Trauerweide (pixabay)

Trauerweide (pixabay)

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